Interview mit Ralph Thannisch, Ausbildungsleiter bei Trützschler

„Der Mensch ist wichtig“

Zusammen mit Gabriele Dahmen, Harald Schoepp, Karl-Heinz Schimmelpfennig und Stefan Sachermann feierte Ausbildungsleiter Ralph Thannisch bei Trützschler sein 40-jähriges Dienstjubiläum. Was hat sich in 40 Jahren verändert? Wir sprachen mit Thannisch über die betriebliche Ausbildung beim Textilmaschinenbauer und in der Industrie.

Herr Thannisch, erinnern Sie sich noch an Ihr Vorstellungsgespräch?

Ich bin damals mit dem Rad bei Trützschler vorbeigefahren und hatte an der Pförtnerloge ein erstes Gespräch mit dem damaligen Ausbildungsleiter. Ich habe dann meine Bewerbungsunterlagen abgegeben, den Einstellungstest gemacht und erhielt den Ausbildungsplatz als technischer Zeichner.

Was hat sich in der Ausbildung verändert?

Natürlich eine ganze Menge! Wir haben beispielsweise früher am Zeichenbrett gelernt. Das ist nur noch ein kleiner Bestandteil der Trützschler-Grundausbildung. Heute wird ausschließlich am Computer gearbeitet. Vom Zeichenbrett erfolgte mit den Jahren die Umstellung auf 2D, später dann auf 3D-Konstruktionssysteme. Die heutigen technischen Möglichkeiten sind durch Soft- und Hardware natürlich ganz andere. Das kann man nicht mehr miteinander vergleichen.

Müssen die Auszubildenden heute mehr können als früher?

Das Anforderungsprofil ist zweifelsohne viel komplexer geworden. Heute ist ein fachübergreifendes Wissen gefragt. Die Arbeit mit MS-Office wird vorausgesetzt. Bei den technischen Produktdesignern müssen unter anderem Präsentationstechniken erlernt werden. Der Umgang mit digitalen Kommunikationsmitteln bis hin zur Videokonferenz wird immer mehr zur Selbstverständlichkeit.

Man hört sehr oft, dass die Qualität der Bewerber sinkt. Können Sie das bestätigen?

Ich will es mal so sagen: Die Prioritäten haben sich verschoben. Der Nachwuchs ist oft nicht so gut vorbereitet. In der Arbeit mit Tablet und Smartphone beweist der Nachwuchs dagegen eine hohe Affinität. Da können wir Ältere kaum mithalten. Auch mit dem Taschenrechner ist elementare Mathematik im Regelfall kein großes Thema. Aber schwierig wird es, wenn Kopfrechnen gefragt ist. Das klappt teilweise überhaupt nicht mehr. Einfachste Rechenaufgaben können teilweise nicht gelöst werden. Das gilt auch für die Rechtschreibung. Trotz der Rechtschreibhilfe am Computer sind die Anzahl der Fehler in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.

Welche Rollen spielen Noten?

Noten sind wichtig, entscheiden aber nicht allein darüber, ob eine Ausbildung begonnen werden kann. In Verbindung mit dem Einstellungstest ist für uns insbesondere das persönliche Gespräch entscheidend. Der Mensch ist wichtig. Im Vorstellungsgespräch wird sehr schnell klar, warum vielleicht die eine oder andere Note nicht so gut ausfällt und wie motiviert beziehungsweise interessiert der Bewerber ist. Im Dialog erhalten wir einen ganz guten Eindruck, was der Bewerber mitbringt: Musste er sich zuhause alleine durchboxen oder kann er mit Unterstützung der Eltern rechnen? Jeder bringt andere Voraussetzungen mit und das muss auch unterschiedlich bewertet werden.

Wie war das Ausbilder-Auszubildenden-Verhältnis früher und wie ist es heute?

 Da gibt es schon große Unterschiede. Früher war das hierarchische Verhältnis viel ausgeprägter, vielleicht auch der Respekt vor den Vorgesetzten größer. Heute wissen die Auszubildenden ziemlich genau, welche Rechte sie haben. Bei den Pflichten müssen wir dann teilweise immer etwas nachhelfen. Leider ist auch die Wertigkeit eine andere, zum Beispiel bei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Diese Erfahrung teilen auch meine Kollegen aus den anderen Betrieben.

Werden die Auszubildenden heute mehr gefördert als früher?

Ja. Die Auszubildenden werden heute viel stärker individuell gefördert, Defizite gezielter abgearbeitet. Es gibt auch mehr Angebote. Bei den Mechatronikern und den Industriemechanikern hat unser Nachwuchs bei entsprechenden Leistungen und Eignung beispielsweise die Möglichkeit, bereits während der Ausbildung bei einem Auslandsaufenthalt Erfahrung zu sammeln. Leider wird das Angebot nicht so stark wahrgenommen. Die Welt mag globaler geworden sein, aber die Reisefreudigkeit hat definitiv abgenommen. Heute bleibt der Nachwuchs lieber Zuhause.

Der demografische Wandel ist ein Dauerthema. Ist bei Ihnen der Eingang an Bewerbungen zurückgegangen?

Leider ja. Das ist deutlich feststellbar. Wir haben aktuell für dieses Jahr sogar noch zwei Ausbildungsplätze als Zerspanungsmechaniker frei. Erkennbar ist auch der Trend zur kaufmännischen Ausbildung und zur schulischen Weiterbildung in allen möglichen Bereichen. Fakt ist, dass wir heute deutlich mehr tun müssen, um Jugendliche für eine gewerbliche oder technische Ausbildung zu begeistern.  Zusätzlich bekommen wir nach und nach auch Probleme, dass junge Leute es nicht mehr so mit der Vertragstreue halten. Aktuell haben zwei vorgesehene Auszubildende ihre Verträge gekündigt. Wir müssen mit verschiedenen Veranstaltungsformaten aufzeigen, wie interessant und zukunftsfähig unsere Branche ist. Deswegen beteiligen wir uns auch an diversen Ausbildungsmessen wie „Beruf Konkret“, an den Businesstagen der MGconnect-Stiftung, an den Recruiting-Messen „MG zieht an“ und gehen zur Berufsorientierung in die Schulen.

Auf einen Blick

Ralph Thannisch begann am 1. September 1977 seine Ausbildung als technischer Zeichner bei Trützschler. Die Weiterbildung in Teilzeitform zum Maschinenbautechniker schloss Thannisch am Berufskolleg 1986 ab. Seit 1987 ist er in der technischen Ausbildung tätig, deren Leitung er 1995 übernahm. Seit 2011 leitet er die technische und gewerbliche Ausbildung. Thannisch ist seit 1992 im IHK-Prüfungsausschuss für technische Produktdesigner tätig und steht diesen als Vorsitzender seit 2011 vor. Das Trützschler-Ausbildungszentrum mit fünf hauptamtlichen Ausbildern betreut zurzeit 50 Auszubildende.

 

Über Trützschler:

Trützschler zählt mit ca. 3000 Mitarbeitern zu den führenden Textilmaschinenherstellern weltweit. Trützschler ist spezialisiert auf Maschinen, Anlagen und Zubehör für die Spinnereivorbereitung, die Nonwovens- und die Chemiefaserindustrie. Die Firmenzentrale des über 125 Jahre alten Unternehmens ist in Mönchengladbach, Deutschland.

Weiter sind in Deutschland die Tochterfirmen Trützschler Nonwovens und Man-Made Fiber GmbH mit zwei Produktionsstandorten und die Trützschler Card Clothing GmbH beheimatet. Standorte in Indien, China, Brasilien, USA und der Schweiz sowie eine Reihe von Servicestützpunkten sorgen für Kundennähe in den wichtigen Textilverarbeitungsregionen.

Mehr Informationen über die Truetzschler Gruppe:

www.truetzschler.com